Abtauchen – Leben in der Illegalität

Aus aktuellem Anlass dokumentiere ich einen Text, der im Juli 1994 in der radikal Nr. 150 veröffentlicht wurde. Einige praktische Aspekte darin sind natürlich mittlerweile überholt, aber die wesentlichen Informationen im juristischen Bereich und was den persönlichen Umgang mit der Situation betrifft, sind weiterhin zutreffend. Vielleicht hilft der Text der einen oder dem anderen, sich konkreter mit dem Thema zu beschäftigen.

Was tun, wenn ein Haftbefehl gegen dich vorliegt

Illegal zu leben ist nichts exotisches! In die Illegalität geht man, wenn man muß. (Frau auch!) Dieses Muß betrifft in der momentanen politischen Situation zum größten Teil ausländische Frauen und Männer, die aus ihren Herkunftsländern fliehen vor Krieg, politischer Verfolgung, Diskriminierung als Frau oder weil sie Angehörige bzw. Angehöriger einer bestimmten Nationalität, Hautfarbe, Religion sind oder weil ihr materielles Leben nicht mehr gewährleistet ist. Allein in der BRD leben viele Tausende illegal. Für Deutsche erübrigen sich aufgrund des herausragenden Lebensstandards solche Überlegungen zur Flucht. Für uns wird das Thema erst aktuell, wenn wir verschärfter staatlicher Repression ausgesetzt sind. Doch auch hier ist die Praxis des Abtauchens oder Abhauens gar nicht so selten, wie oftmals angenommen wird. Wir fänden es gut, wenn mehr Frauen und Männer, die zu dem Thema was sagen könnten, sich entschließen würden ihre Erfahrungen zu veröffentlichen, soweit das möglich ist. So kann die Vorstellung für viele Linke greifbar und zu einer reellen Entscheidungsmöglichkeit werden und muß nicht bestimmt sein von irrationalen Ängsten und dem Unvermögen, sich ein anderes Verhalten vorstellen zu können als das staatlich vorgegebene.

Deine Ausgangssituation: du bekommst mit, daß die Bullen dich suchen!

Z.B. waren sie bei deiner Meldeadresse, haben durchsucht und nach dir gefragt, aber du warst nicht da – oder du wohnst eh nicht da, wo du gemeldet bist. Oder du bist bei einer Sache, für die sie dich ziemlich rankriegen können, erkannt oder verraten worden, und es ist nur noch eine Frage von Stunden, bis sie dich abholen kommen.

Du bist also in der vergleichsweise „privilegierten“ Situation dir aussuchen zu können, ob du dich stellst bzw. verhaften läßt – oder ob du dich entziehst. Spätestens jetzt zahlt es sich aus, wenn du in der Vergangenheit etwas zurückhaltend warst mit wahren Informationen gegenüber Meldestelle, Arbeits- und Sozialamt, Polizei, Hinz oder Kunz. Oder wenn du an „heißen“ Telefonen (wo die Wahrscheinlichkeit, daß abgehört wird, relativ hoch ist) nicht immer dein gesamtes Privatleben ausgebreitet hast, nach dem Motto „das wissen die Bullen doch eh alles“… (tun sie nämlich nicht!).

Ruhe bewahren!

Es ist grundsätzlich nicht strafbar, sich der Festnahme zu entziehen, deine Strafe kann dadurch nicht höher werden, sollten sie dich kriegen. Du hast deshalb Zeit, ganz im Gegensatz zu den panischen Empfindungen, die die Nachricht von einem Haftbefehl auslöst, dir in aller Ruhe und mit Rat von Freundinnen zu überlegen, wie es weitergehen soll!

Der erste Schritt sollte natürlich sein, dich an einen sicheren Ort zu begeben. Der Ort muß nicht ewig weit weg sein, es kommt darauf an, daß er nicht für die Bullen nachvollziehbar ist. D.h. es sollte keine Telefonnummer von dort bei deiner Meldeadresse oder Wohnung rumliegen, es sollten nicht die Wohnungen deiner allernächsten FreundInnen sein. Außerdem solltest du dich relativ

schnell mit einer Anwältin oder einem Anwalt (RA) in Verbindung setzen.

Rechtsanwalt/-anwältin

Die/der RA kann auch gegenüber Justiz und Bullen als dein/e Anwält/in auftreten, ohne daß er/sie verraten muß, wo du dich aufhältst. Es ist natürlich empfehlenswert, Vorsichtsmaßnahmen beim Kontakt mit der/dem RA zu treffen, damit die Bullen dich nicht beim Anwaltsbesuch fangen. Spätestens wenn den Bullen klar ist, wer dich vertritt, wird das wichtig. Z.B. könnte der Kontakt dann über eine/n Vermittler/in laufen. Dein/e RA wird klären, ob überhaupt ein Haftbefehl vorliegt. Dann versucht er/sie, Einsicht in die Akten (Beweislage, Zeuginnenaussagen) zu bekommen. Das kann ein paar Monate dauern, aber mit einer Entscheidung, sich zu stellen, empfiehlt es sich auf jeden Fall, so lange zu warten. Denn die Beweislage weicht häufig sehr erheblich von der Realität ab, im Guten wie im Schlechten. Nur aufgrund der Akteneinsicht kann eingeschätzt werden, wie stark du wirklich belastet wirst, welche Möglichkeiten der/die RA im Prozeß hat, die Anklage zu Fall zu bringen.

Kriegt die/der RA überhaupt Akteneinsicht, wenn du der Justiz nicht zur Verfügung stehst?

Wenn es noch andere Angeklagte in der Sache gibt, die nicht illegal sind, haben sie ein Recht

auf Akteneinsicht. Dann ist es möglich, sich deren Akte anzuschauen. Wenn du die/der einzige Belastete bist, ist die Chance, die Akte zu bekommen, geringer, aber einer/m pfiffigen RA wird vielleicht auch da was einfallen.

Sich zu stellen, kann bei weniger schwerwiegenden Vorwürfen sinnvoll sein, z.B. wenn der einzige Haftgrund „Fluchtgefahr“ ist. Dadurch, daß du selbst ankommst, können sie mit der Gefahr, daß du flüchten willst, nicht mehr argumentieren, und den Haftbefehl nicht aufrechterhalten.

Grundsätzlich finden wir es wichtig, die Entscheidung – abhauen oder Knast – nicht gänzlich vom Rat der/des RA abhängig zu machen. Anwältlnnen werden meistens der Knast-Variante den Vorzug geben. Das ist ihr Terrain, da kennen sie sich aus, und das ist der „vorgeschriebene“ Weg. Deine Realität kann durchaus ne andere sein! Deshalb muß eine solche Initiative von dir (und deinem Umfeld) kommen! Du solltest dir an der Stelle auch klarmachen, daß ein/eine RA keine höhere Autorität sein muß, sondern in einem Dienstleistungsverhältnis zu dir steht.

Das heißt, daß du letztendlich die Rahmenbedingungen vorgibst.

Aussehen

Es ist sehr ratsam, dein Aussehen zu verändern. Auch wenn noch kein Fahndungsfoto von dir erschienen ist, ist es sinnvoll sofort zu überlegen, was du einschneidendes an deinem Äußeren verändern kannst. Du kannst nie genau einschätzen, ob und wann die Bullen sich entscheiden,

öffentlich zu fahnden, und wenn du von Anfang an relativ verändert aussiehst, ist die Möglichkeit wesentlich geringer, daß du später denunziert wirst oder deine Fluchtetappen nachvollzogen werden. Grundsätzlich ist eine optische Annäherung an Erna oder Otto Normal sinnvoll,

um möglichst wenig aufzufallen. Zum anderen solltest du typische Erkennungsmerkmale verändern, vor allem im Gesicht: Frisur, Haarfarbe, Bart ab oder dran, Brille oder Kontaktlinsen, je nachdem. Für Frauen, die sich nicht schminken: damit ist ne ganze Menge an Veränderung

möglich, sieht man ja bei den Fotomodellen! Du solltest dich bei optischen Veränderungen von Leuten beraten lassen, die ein Auge dafür haben. Auch Kleidung kann eine ganze Menge vom Typ verändern. Scheue keine Kosten, um neue Garderobe und Utensilien anzuschaffen, das zahlt sich auf jeden Fall aus!

Argumente für und gegen Illegalität

1. Tauchen bedeutet Streß

Die Hauptbelastung des illegalen Lebens ist der psychische Druck, der auf dir lastet. Du lebst „unfrei“, weniger körperlich als in deinem Kopf. Die Situation zwingt dich, umzudenken, ständig auf der Hut zu sein, dein Verhalten immer wieder zu kontrollieren. Je nachdem was du bislang an politischen Aktivitäten gemacht hast, wird dir das mehr oder weniger vertraut sein. Viele Leute werden in so einer Situation von ihren Ängsten völlig bestimmt, verfallen in Verfolgungswahn und schaffen es nicht mehr, die tatsächlich vorhandenen Gefahren einigermaßen nüchtern zu sehen und sich entsprechend zu verhalten.

Bestimmt kannst du an einer schwierigen Situation wachsen, kannst den Umgang mit der Angst lernen, kannst es schaffen, mit der Zeit auch ein sicheres Gefühl im Alltag zu bekommen und dich wohl zu fühlen, und nicht nur überall Spitzel und Bedrohungen zu wittern. Besonders, wenn es Freundinnen und Freunde gibt, mit denen du dich auseinandersetzen kannst und die dir helfen. Wir wissen aber auch von Leuten, die selbst nach vielen Jahren den Kopf nicht frei bekommen können von dem Gedanken, verfolgt oder beobachtet zu werden, sich nirgends hin trauen und nur in der Wohnung sicher fühlen. Jeder und jede muß für sich einschätzen, ob er/sie in der Lage ist, in so einer Situation einigermaßen cool zu bleiben, und auch die angenehmen Seiten des Lebens zu sehen.

Aber selbst wenn du Zweifel hast, ob du der psychischen Belastung des illegalen Lebens gewachsen bist, kann es nicht verkehrt sein, es zu versuchen, denn du kannst deine Entscheidung jederzeit rückgängig machen. Das ist ein großer Vorteil gegenüber Knast – wenn du da erst einmal bist, wird‘s ganz schön schwer, wieder abzuhauen!

2. Zukunftsperspektiven

Der Grund der Verfolgung „erledigt“ sich ja meist nicht von alleine, du wirst also, solltest du jemals erwischt werden, deine Strafe evtl. dann absitzen müssen. Du kannst dir dann sagen: „wär ich gleich in die Kiste gegangen, wär ich jetzt schon wieder draußen“ . Das ist die eine Seite. Andererseits besteht bei Verfahren von geringerer Tragweite, z.B. Landfriedensbruch, die gute Chance,

daß irgendwann der Haftbefehl zurückgezogen und das Verfahren eingestellt wird. Die ZeugInnen vergessen mit den Jahren alles mögliche und damit sinkt die Chance der Verurteilung, die politische Brisanz deiner „Untat“ läßt nach, weil die öffentliche Meinung wieder ganz andere Bedrohungen der Demokratie ausgemacht hat … Kurzum, es ist gut möglich, daß ein anfänglich fanatischer, nach Vergeltung geifernder Staatsanwalt das Interesse verliert. Das ist durchaus kein Einzelfall.

Oder, ganz banal, die Straftat verjährt. Wann eine Tat verjährt, richtet sich nach der zu erwartenden (Höchst-) Strafe. Mord verjährt grundsätzlich nicht. Taten, für die es bis zu lebenslänglich gibt, verjähren nach 30 Jahren, mehr als zehn Jahre Strafe nach 20 Jahren, fünf bis zehn Jahre Strafe nach zehn Jahren, ein bis fünf Jahre Strafe nach fünf Jahren, der Rest verjährt nach drei Jahren.

Diese Fristen sind aber nicht bindend! Durch sogenannte „Unterbrechungshandlungen“ kann die Verjährungsfrist immer wieder verlängert werden, maximal bis auf das Doppelte der eigentlichen Frist. Unterbrechungshandlungen sind alle möglichen Amtshandlungen, die die Strafsache betreffen, so z.B. eine richterliche Anordnung, eine Untersuchung im Ausland vorzunehmen, ein Strafbefehl, die Erhebung der Anklage oder Eröffnung des Verfahrens, eine richterliche Durchsuchungsanordnung, der Erlaß eines Haftbefehls…

Es ist also wichtig, die tatsächliche Verjährung einer Tat durch eine Anwältin nachprüfen zu lassen, und sich nicht einfach darauf zu verlassen, daß die Zeit um ist!

3. Strukturen/Freundeskreis

Eine ganz wesentliche Voraussetzung für ein Abtauchen ohne Untergehen sind Leute, die dich unterstützen! Welche, die dich bei deinen Entscheidungen beraten, die dir helfen, dich zu stylen, sicher über die Grenzen zu kommen, dich zumindest am Anfang materiell versorgen, die dich psychisch stabilisieren, wennʼs dir Scheiße geht…

Wenn du schon in der Situation bist, abhauen zu müssen, dann ist es natürlich zu spät, entsprechende Strukturen aufzubauen, die deine Versorgung und alles Mögliche gewährleisten.

Dann kannst du nur noch das mobilisieren, was da ist.

Deshalb ist es wichtig, daß du bei deiner Entscheidung, ob du lieber abtauchst oder in den Knast gehst, eine vernünftige Einschätzung von deiner persönlichen Stabilität, deinen Beziehungen und Strukturen machst. Wenn du völlig alleine dastehst, sieht es einfach Scheiße aus.

Und das nicht nur in einer solch extremen Situation, sondern schon im normalen Leben. Natürlich soll das nicht bedeuten, daß du nicht auch einfach auf eigene Faust los kannst. Wenn du dir das zutraust, ist es sicher einen Versuch wert. Vielleicht hast du auch noch nie darüber nachgedacht, was du tun würdest, wenn du oder andere Bekannte betroffen wären. Vielleicht regt dich der Artikel an, mal darüber zu reden, Leute zu fragen ob sie jemanden aufnehmen würden, Kontakte zu knüpfen und zu pflegen …

Was es zum Thema Freundeskreis noch zu sagen gibt ist natürlich, daß es Vielen, die gute Freunde und Freundinnen haben, schwer fallen wird sich vorzustellen, ein Leben ohne sie zu führen. Wir denken auch nicht, daß das sein muß. Erstens mußt du nicht unbedingt alleine abtauchen.

Welche, die dir total wichtig sind (und umgekehrt), können sich ebenso gut entschließen mitzugehen. Außerdem kannst du dir auch weiterhin Besuche organisieren, du mußt nicht jeglichen Kontakt abbrechen. Wichtig ist nur, daß die Leute, die dich irgendwo treffen, sich absichern, daß sie nicht die Bullen mitschleppen, d.h. konkret, daß ihr euch damit beschäftigen müßt, wie ihr Observationen erkennen könnt, und wie ihr euch vergewissern könnt, daß ihr keine Bullen draufhabt. Dazu gibtʼs interessante Broschüren – in jeder gut sortierten Buchhandlung.

Du hast dich entschieden abzutauchen – wohin, welche Möglichkeiten gibt es?

Ganz unabhängig davon wo du vielleicht Freundinnen hast und hin könntest, solltest du dir die Sache grundsätzlicher überlegen. Inland oder Ausland? Mit falschem Paß oder ohne Papiere? Wir spielen das im Folgenden mal durch: Generell ist das Risiko wiedererkannt und verraten zu werden im Inland, wo dich mehr Menschen kennen, größer. Wenn öffentlich nach dir gefahndet wird und deine Fotos rausgegeben werden, wird es noch krasser. Die zwangsläufige Folge davon wäre, daß du dich tatsächlich relativ versteckt halten mußt, nicht am öffentlichen Leben teilnehmen kannst. Wenn du gefaßt wirst, bedeutet das auf jeden Fall Knast, während in manchen Ländern noch kleine Hoffnungen bestehen, daß du nicht ausgeliefert wirst (dazu später mehr). Mit einem falschen Paß brauchst du weniger durch das Leben zu schleichen, da du nicht befürchten mußt, im Falle einer Ausweiskontrolle gleich festgenommen zu werden. Wir halten die Variante, im Inland ohne falschen Paß zu leben, für die allerbeschissenste!

Dieses Verstecken und Rumschleichen wird sich zwangsläufig auf deine Psyche auswirken, du wirst ängstlich und geduckt leben müssen und dich immer schlechter auf Menschen einlassen können. Es gibt bessere Möglichkeiten!

Du kannst ins Ausland gehen, irgendwie über die Grenze/n schleichen, und dort mit deinem richtigen Namen und Paß offen leben. Sinnvoller ist es natürlich trotzdem, sich einen neuen Namen oder einen Spitznamen zuzulegen. Du mußt ja nicht allen deinen neuen Bekannten deinen Perso vorlegen. Diese Möglichkeit bietet sich an bei weniger schweren „Straftaten“ , wie z.B. Landfriedensbruch.

Wir wissen von Leuten, die das seit Jahren praktizieren, und wo relativ klar ist, daß ihr Aufenthalt den Bullen bekannt ist (z.B. wenn du in exponierten besetzten Häusern lebst). Das „Gastland“ unternimmt trotzdem keine Anstalten sie festzusetzen und auszuliefern. Mehr dazu im Abschnitt „Auslieferung“. Ist die dir vorgeworfene Straftat gravierender, solltest du auch hier einen falschen Paß haben und dich nicht so weit aus dem Fenster lehnen.

Die beste Variante: du lebst im Ausland, hast aber einen Paß oder Ausweis mit anderem Namen, aber deinem Bild.Die Vorteile liegen auf der Hand: Du bist nicht der direkten Fahndung in Deutschland ausgesetzt. Wenn du nicht gerade RAF-Mitglied bist, wird dein „Gastland“ keine verschärften Bemühungen unternehmen, der BRD bei der Fahndung behilflich zu sein. Weil du dich außerhalb deines bisherigen sozialen Umfeldes bewegst, gibt es auch kaum Möglichkeiten, von Bekannten erkannt zu werden, die mit ihrem Wissen dann evtl. nicht korrekt umgehen.

Und vor allem kannst du dich einigermaßen selbstsicher bewegen und dir einen neuen Bekanntenkreis aufbauen, ohne ständig Angst vor einer Kontrolle haben zu müssen.

Gerade letzteres halten wir für sehr wesentlich, wenn es darum geht, für mehrere Jahre oder auch für immer abzutauchen!

Die Möglichkeiten, die du persönlich hast, an einen Paß ranzukommen, sind also letztendlich ziemlich entscheidend für dein weiteres Leben! Im Glücksfall gibt es eine Person, die dir ähnlich sieht und dir ihren Paß gibt, ohne ihn verloren zu melden. Vielleicht kannst du auch durch Frisurenangleichung eine Ähnlichkeit zu irgendeinem der Paßfotos deiner Bekannten herstellen. Fotos sind nicht immer besonders treffend und eventuell siehst du einem Paßfoto deiner Bekannten viel ähnlicher als der Person.

Wenn das alles nichts taugt, dann wäre es gut, dazu in der Lage zu sein, ein Paßbild aus einem geliehenen Paß durch dein eigenes zu ersetzen und die Bildecke nachzustempeln.

Dazu gehören gewisse praktische Fertigkeiten, die aber durchaus für jede und jeden erlernbar sind. Wir verweisen in diesem Zusammenhang auf eine Publikation der RZ „Von A bis RZ“. Dort stehen diese Dinge unter „Fälschen“ beschrieben. Leider sind einige Praktiken mittlerweile veraltet, aber im Großen und Ganzen finden wir diese Praxisanleitung doch noch brauchbar. Wir wissen, daß viele nicht die Möglichkeit haben, an diese alte RZ-Publikation ranzukommen, wir bemühen uns deshalb in der nächsten Nummer, sie nochmal abzudrucken und eventuell zu überarbeiten. Für dieses Mal reicht der Platz einfach nicht aus!

Was ist mit Auslieferung?

Nehmen wir an, dir wird was vorgeworfen, wofür eine hohe Strafe zu erwarten ist. Etwa ab einem Jahr Knast aufwärts wird ein internationaler Haftbefehl rausgegeben. Die Grenze ist nicht genau festzulegen, das ist Ermessenssache der Behörden. Also in jedem Land der Erde können die Bullen theoretisch feststellen, daß jemand deines Namens in Deutschland gesucht wird, wenn sie deine Personalien in ihren Computer geben oder in ihr Fahndungsbüchlein schauen. Wenn du nun mit deinem regulären Ausweis unterwegs bist und in eine Kontrolle gerätst, wird es von Land zu Land recht unterschiedlich sein, wie sich die Bullen und Gerichte verhalten. In der Regel (aber nicht zwangsläufig) werden sie dich in Haft nehmen.

Dann werden sie nachfragen, ob „dein“ Land ein Auslieferungsgesuch stellt, und darüber entscheiden. Das ist ein bürokratischer Weg, der auf jeden Fall mehrere Wochen dauert. Falls sie dich bei der Kontrolle nicht festgesetzt, sondern nur deinen Aufenthaltsort festgestellt haben, hast du jetzt natürlich Zeit, deine Reise fortzusetzen. Ansonsten sieht es wahrscheinlich schlecht aus. Je freundschaftlicher der betreffende Staat mit der BRD verkehrt, desto größer die Wahrscheinlichkeit, daß ausgeliefert wird.

Die Schweiz liefert z.B. immer aus, es sei denn, es handelt sich um Steuervergehen. Die Länder des „Schengener Abkommens“ (EG) liefern grundsätzlich immer aus.

Manche Staaten sind etwas zurückhaltender, wenn es sich in ihren Augen um politische Delikte handelt. Als „politisch“ gilt dann aber nur, wenn du deine Meinung gesagt (oder geschrieben) hast, und dafür mit hoher Strafe belegt werden sollst. Also sobald der Tatvorwurf irgendwas mit Gewalt zu tun hat, ist sowieso Essig. In vielen Ländern des ehemaligen Ostblocks und des Trikonts wird es möglich sein, durch Zahlungen an die zuständigen Behörden den Schutz vor Auslieferung zu erkaufen.

Der beste Schutz vor Auslieferung ist aber die Heirat mit einem/einer Einheimischen, in manchen Staaten auch ein gemeinsames Kind. Und natürlich liefern Staaten nie eigene Bürgerlnnen an andere Länder aus. Also würde Belgien keine Belgierin an die BRD ausliefern, wenn die hier was ausgefressen hätte. (Ausnahmen sind natürlich auch hier möglich.) Was aber passieren kann ist, daß z.B. die belgische Justiz nach Unterlagen aus der BRD selbst ein Verfahren eröffnet.

Last but not Least!

Wir haben jetzt so ziemlich alle Aspekte des Abtauchens, die uns verallgemeinerbar erscheinen, beschrieben. Natürlich bleiben trotzdem noch viele Fragen offen, die erst aufgrund deiner speziellen Situation beantwortet werden können. Eine wäre, wie du dich in der Illegalität weiter politisch betätigen kannst? Da kommtʼs dann drauf an, was du für ein Mensch bist, was du dir alles an politischer Arbeit vorstellen kannst, welche Möglichkeiten das Gastland bietet, auf welche Strukturen du selbst zurückgreifen kannst, also ob es Leute gibt mit denen du was weitermachen kannst,… Aber auch bei dieser Frage finden wir es sinnvoll schon mal im Trockenen zu überlegen, bevor es ans Abtauchen geht! Das war’s dazu.

Wir grüßen alle, die in den Kellern sitzen! Und natürlich auch alle, die nie die Chance dazu hatten und deshalb im Knast schmoren! Für eine Gesellschaft ohne Knäste!!!